Risikofaktoren

Übersicht über die in der wissenschaftlichen Literatur genannten Risikofaktoren für periimplantäre Infektionen. Ein Positionspapier des Aktionsbündnisses gesundes Implantat.

Dieses Positionspapier des Aktionsbündnisses gesundes Implantat gibt eine aktuelle Übersicht über die in der wissenschaftlichen Literatur genannten Risikofaktoren für periimplantäre Infektionen. Bei Patienten mit diesen Risikofaktoren muss eine gründliche Nutzen-Risiko-Abwägung vor einer geplanten Implantation vorgenommen werden. Risikopatienten sind in jedem Fall über ihr erhöhtes Risiko, die damit verbundenen häufigeren Kontrollen und die gründliche Pflege der Implantate zu informieren. Bestimmte Risikofaktoren führen nicht zwingend zur Kontraindikation für Implantate, können aber besondere Maßnahmen sinnvoll machen.

1. Gesicherte Risikofaktoren

1.1 Parodontale Vorerkrankungen

Wissenschaftliche Studien zeigen bei Patienten mit chronischer Parodontitis ein deutlich erhöhtes Risiko für periimplantäre Erkrankungen [1-10]. Eine neuere Studie (Mengel et. al. 2012, [7]) zeigte, dass das Risiko für Patienten mit behandelter generalisierter aggressiver Parodontitis (GAgP) für einen Implantatverlust um das 5-fache, für eine Mukositis um das 3-fache und für eine Periimplantitis 14-fache erhöht sind.

1.2 Mangelnde Compliance

Die fehlende Bereitschaft des Patienten zu professioneller und häuslicher Mundpflege sowie ein fehlendes Prophylaxekonzept in der Zahnarztpraxis begünstigt das Risiko periimplantärer Erkrankungen.

Regelmäßige Prophylaxe kann das Risiko für die Entwicklung einer Periimplantitis reduzieren, während schlechte Mundhygiene entsprechend des Konsensberichts des Sechsten Europäischen Parodontologie-Workshops [1] und des Konsenspapiers der 3. Europäischen Konsensuskonferenz (EuCC) [11] periimplantäre Erkrankungen begünstigt. Eine unzureichende Mundhygiene führt zu einem bis zu 14-fach erhöhten Risiko [12, 13] für periimplantäre Erkrankungen.

1.3 Rauchen

Nikotinkonsum erhöht das Risiko für periimplantäre Erkrankungen signifikant [7, 9, 13-18]. Der Konsensbericht des Sechsten Europäischen Parodontologie-Workshops [1] und Rinke et. al 2011 [19] nennen das Risiko in Abhängigkeit von individuellen Faktoren der Patienten zwischen 11 bis 30-fach erhöht.

2. Weitere Risikofaktoren – allgemeinmedizinisch

2.1 Diabetes Mellitus

Der Konsensbericht des Sechsten Europäischen Parodontologie-Workshops und weitere Studien weisen Diabetes als Risikofaktor für periimplantäre Erkrankungen aus [1, 16, 20]. Diabetes Mellitus mit einer schlechten glykämischen Kontrolle (HbA1c) ist ein etablierter Risikofaktor für Parodontitis und wird mit einer steigenden Häufigkeit von Periimplantitis in Verbindung gebracht [17].

2.2 Medikamenteninteraktionen

Die Einnahme von Medikamenten kann sich negativ auf die Einheilung und den Langzeiterfolg von Implantaten auswirken, insbesondere Medikamentenunverträglichkeit, Immunsupressiva, Cytostatica, Östrogenpräparate und Bisphosphonate der ersten Generation bei Osteoporosepatienten erhöhen das Risiko [18, 21].

2.3 Allergien & Unverträglichkeiten

Allergien und Materialunverträglichkeiten auf zu verwendende Werkstoffe und Materialien im Rahmen der Behandlung kann das Risiko für einen Misserfolg erhöhen, allerdings wird dies nicht durch Studien belegt.

2.4 Strahlentherapie

Strahlenbehandlungen im Kopf-Hals-Bereich haben nachweislich einen negativen Einfluss auf die Einheilung von Implantaten (Osseoiontegration). Nach erfolgter Einheilung besteht ein erhöhtes Risiko für periimplantäre Entzündungen [14, 16, 20, 22, 23]

3. Weitere Risikofaktoren – zahnmedizinisch

3.1 Implantat-prothetische Versorgung

Die Art der prothetischen Versorgung kann ein Risikopotential darstellen [11]. So sind die Fehlpositionierung der Suprakonstruktion im Bezug auf das Weichgewebsniveau und eine mangelhafte Hygienefähigkeit als Risikofaktoren zu nennen [11]. Nicht entfernte Zementreste im Bereich von Implantaten müssen ebenfalls als Risiken betrachtet werden [24]. Falsche Abutmentplatzierung und Spaltbildung zwischen Implantaten und Suprakonstruktion führt zu einer höheren bakteriellen Kontamination und damit zu pathologischen Reaktionen im periimplantären Weich- und Knochengewebe [25].

3.2 Biomechanische Einflüsse

Mechanische Fehl- oder Überbelastungen können zu einer Beschleunigung der periimplantären Knochendestruktion beitragen [21]. Der Knochenabbau im Rahmen einer bakteriell induzierten periimplantären Entzündung wird durch Bruxismus beschleunigt [26].

3.3 Qualität der periimplantären Gewebe

Keine oder wenig befestigte Schleimhaut („attached“ Mucosa) können die Entwicklung einer Mukositis und Periimplantitis begünstigen.

Neben dem Einfluss der Knochenqualität (Knochentypen, Vaskularität/Durchblutung, Augmentate) [23, 27], begünstigt auch eine geringe Knochenwandstärke eine Periimplantitis [28].

Hinweise der Implantathersteller beachten

In diesem Positionspapier sind die Stellungnahmen von europäischen Fachgesellschaften aus den Bereichen Implantologie und Parodontologie berücksichtigt. Der Behandler sollte unabhängig von diesen allgemeinen Ausführungen die spezifischen Hinweise der Implantathersteller beachten.

Kölner ABC-Risiko-Score

Als Ergänzung dieser Ausführungen empfiehlt das Aktionsbündnis gesundes Implantat Implantat den Kölner ABC-Risiko-Score. Der Kölner ABC-Risiko-Score wurde auf der Europäischen Konsensuskonferenz (EuCC) 2012 des Bundesverbands der implantologisch tätigen Zahnärzte/European Association of Dental Implantologists (BDIZ EDI) erarbeitet, um dem implantologisch tätigen Zahnmediziner ein Werkzeug an die Hand zu geben, präimplantologisch den Schwierigkeitsgrad der individuellen Patientensituation einzuschätzen und somit zur Risikominimierung der implantologischen Therapie beitragen. Im Kölner ABC-Risikoscore erhält jeder der Teilbereiche Anamnese, Lokalbefund, Chirurgie und Prothetik eine zusammenfassende Bewertung, die sich aus der Bewertung von Einzelkriterien ergibt. Die Bewertung erfolgt farblich in Grün (A = Always, günstige Risikoeinschätzung), Gelb (B = Between, mittleres Risiko) oder Orange (C = Complex erhöhtes Risiko) entsprechend A-B-C. Sobald in einem Teilbereich mind. zwei Kriterien/Fragestellungen mit Gelb bewertet sind, wird der gesamte Teilbereich als mittelschwer eingeschätzt. Ab 4 x Gelb oder 2 x Orange wird der gesamte Teilbereich mit „C“ bewertet. Die Ampelfarbe Rot bleibt ausschließlich der Risikoeinschätzung vorbehalten, bei der die Therapie möglicherweise nicht empfehlenswert erscheint (nicht mit Kontraindikation gleichzusetzen).

Download des Positionspapiers als PDF

Download der Literaturangaben als PDF

 

Mitwirkende an dem Positionspapier des Aktionsbündnisses gesundes Implantat über Risikofaktoren für periimplantäre Erkrankungen:

Prof. Dr. Johannes Einwag, PD Dr. Dirk Ziebolz, Dr. Sigmar Kopp, Dr. Oliver Müller, Prof. Dr. Marcel Wainwright, Prof. Dr. Reiner Mengel, Sylvia Fresmann, Christian Berger, Dr. Björn Eggert, Jan-Philipp Schmidt

Stand: 05.11.2013