Rückblick ZFZ-Winter-Akademie 2020

450 Teilnehmer befassten sich mit der Thematik: Zähneknirschen ist (k)eine Krankheit?!

Am 25.01.2020 fand im neuen Mövenpick Hotel Messe & Congress am Stuttgarter Fluhafen die traditionelle Winter-Akademie des ZFZ Stuttgart statt. 450 Teilnehmer hörten informative Vorträge zum Thema Zähneknirschen ist (k)eine Krankheit?! In der begleitenden Dentalausstellung präsentierten 30 Firmen ihre neuen Produkte und Innovationen.

Die Begrüßung der Teilnehmer und Gäste erfolgte durch den Verwaltungsratsvorsitzenden des ZFZ, Dr. Eberhard Montigel. Dr. Montigel begrüßte u.a. sehr herzlich den Präsidenten der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, Herrn Dr. Torsten Tomppert, sowie Priv. Doz. Dr. Yvonne Wagner aus Jena. Frau Dr. Wagner wird als neue Direktorin des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart zum 1. Januar 2021 ihre Arbeit beginnen.

Anschließend wurden Fortbildungs-Highlights 2020 vorgestellt. Unter anderem wies Prof. Einwag auf die im Frühjahr beginnenden strukturierten Fortbildungen im ZFZ hin. Priv.-Doz. Dr. M. Oliver Ahlers, zahnärztlicher Leiter des CMD-Centrum Hamburg-Eppendorf führte anschließend die rund 450 Zahnärzte in die Thematik ein. Wie gewohnt führte ZFZ-Direktor Prof. Dr. Johannes Einwag durch das Programm der Winter-Akademie.


Ein Auszug aus den Vorträgen:

Bruxismus – ein Update | Prof. Dr. Ingrid Peroz

Bruxismus wurde 2018 neu definiert. Es wird zwischen Schlaf- und Wachbruximus unterschieden und festgehalten, dass Bruxismus bei ansonsten Gesunden keine Erkrankung darstellt.
Bruxismus gilt derzeit nicht als ursächlich heilbar. Die Okklusion spielt in der Ätiologie kaum mehr eine Rolle. Bruxismus kann zu erheblichen Attritionen an den Zähnen führen und stellt ein höheres Risiko für technisches und biologisches Versagen zahnärztlicher Rekonstruktionen dar. Studien zeigen bei Bruxismus eine höhere Prävalenz von Symptomen einer craniomandibulären Dysfunktion, wozu insbesondere Schmerzen in der Kaumuskulatur, den Kiefergelenken und Schläfenkopfschmerzen gehören. Seit Juni 2019 liegt eine S3-Leitlinie zu Diagnostik und Management des Bruxismus vor, deren Inhalte im Rahmen des Vortrags vorgestellt wurden.

Diagnostik von Zahnverschleiß | PD Dr. M. Oliver Ahlers

Behandlungsindikationen und Behandlungsformen

Der Verlust von Zahnhartsubstanzen kann verschiedene Ursachen haben und geht insbesondere bei einem Zusammenspiel von mechanischen und chemischen Ursachen bis zum 30-fachen über den physiologischen Zahnverschleiß hinaus. Die Folgen für die einzelnen Zähne sind progressive Substanzverluste, bei pathologischem Fortschreiten zudem Schmerzen oder Vitalitätsverluste und das Abbröckeln ganzer Zahnfragmente. Hinzu kommen phonetische und ästhetische Beeinträchtigungen, Vitalitätsverluste und/oder Frakturen. Bezogen auf das craniomandibuläre System insgesamt kann fortschreitender Zahnverschleiß zu Stellungsveränderungen des Unterkiefers und in der Folge zu Arthropathien führen. Pathologischer Zahnverschleiß kann so erheblichen funktionellen Rehabilitations- und zahnerhaltenden Restaurationsbedarf auslösen und die zur Behandlung erforderlichen Restaurationen können ihrerseits – je nach Invasivität – weiteren Zahnhartsubstanzverlust verursachen.
Erforderlich ist daher die mehrstufige Erfassung des Zahnverschleißes, beginnend mit einem Zahnverschleiß-Screening zur Erfassung von Risikopatienten. Bei entsprechend auffälligen Patienten ist ein detaillierter Zahnverschleiß-Status erforderlich. Die Grundlagen dieser Untersuchungen sind mittlerweile wissenschaftlich definiert und international konsentiert. Die Umsetzung in die Praxis ist gut möglich und wird durch spezielle Software erleichtert (CMDbrux).
Ziel des Referates ist die Vorstellung eines praxistauglichen Vorgehens, das es ermöglicht, Patienten mit unphysiologischem Zahnverschleiß zu identifizieren und nach Möglichkeit präventiv einzugreifen – oder konservierend zu beobachten (Monitoring). Für die Fälle mit pathologischem Zahnverschleiß stellte der Vortrag die grundsätzlichen Behandlungsmöglichkeiten vor.

Komplexe Restaurationen mit Komposit | Prof. Dr. Patrick R. Schmidlin

Der Einsatz zahnfarbener Kompositmaterialien im Frontzahnbereich steht sicherlich außer Frage; doch es bestehen noch einige Zweifel an deren Einsatz in posterioren Bereichen, insbesondere bei ausgedehnten Restaurationen. Aktuelle Materialien und technische Konzepte ermöglichen hochwertige direkte Füllungen, allerdings erfordern diese auch spezifische Anwendungstechniken und etwas Zeit und Hingabe bei der Verarbeitung. Sensible Aspekte sind die Präparationsschritte, das Konditionieren und Bonding, die Materialinsertion sowie eine adäquate Lichtpolymerisation unter strikter Isolation. Postoperative Aspekte wie das (Nach)Finieren und Polieren im Rahmen einer strikten Maintenance sind ebenfalls von größter Bedeutung. Vor diesem Hintergrund zeigen klinische Daten, dass moderne Kompositfüllungen exzellente Langzeitergebnisse ermöglichen können und auch ausgedehnte Restaurationen bis hin zu okklusionstragenden Aufbauten möglich sind.

Natürlich kann/wird immer noch der Verschleiß als Mangel dieser Versorgungsmodalität angesehen werden, aber Modifikationen und Veränderungen der Materialeigenschaften haben zu erheblichen Verbesserungen geführt – auch bezüglich der Ästhetik. Bemerkenswert ist, dass letztere biomechanischen Schwächen auch als Vorteile angesehen werden können: Weniger steife und spröde Materialien können eine Beschädigung der restaurierten Zähne und ihrer Antagonisten reduzieren und dämpfend wirken, was insbesondere bei der Behandlung bestimmter Patientengruppen (z.B. Bruxismus, Implantate etc.) durchaus von Vorteil sein kann.

Unter der Prämisse der strikten Gewebeerhaltung und -schonung sind wir heute in der Lage, fast jeden Fall und jede Situation mit direkten Kompositmaterialien zu behandeln; die Frage ist vor allem, ob der dafür erforderliche manuelle Aufwand angesichts der bereits vorhandenen Defektgröße gerechtfertigt und wirtschaftlich ist. Grundsätzlich ist Vieles möglich.

Implantate und abnehmbarer Zahnersatz bei Bruxismuspatienten | Dr. Philippe Rieder

Bruxismuspatienten stellen eine grosse Herausforderung dar. Die starken mechanischen Belastungen zwingen uns solche Patientenfälle mit der nötigen Vorsicht zu planen und dabei Antworten auf essentielle Fragen zu finden:

  • Ist die Belastbarkeit unserer Implantate wirklich ausreichend?
  • Wie kann ich das Design einer Rekonstruktion optimieren?
  • Kann ich die modernen CAD-CAM Technologien anwenden?
  • Was zeigt uns die Studienlage?
  • Was kann ich für meine tägliche Praxistätigkeit mitnehmen?
  • Ein evidenzbasierter Überblick mit klinischen Erfahrungen; fern von den Idealvorstellungen der Industrie.

Indirekte Restauration zur Behandlung von Bruxismusfolgen | Prof. Dr. Marc Schmitter

Die Prävalenz von Bruxismus – sei es am Tage oder in der Nacht – sorgt dafür, dass sich fast täglich Patientinnen und Patienten mir dieser funktionellen Auffälligkeit in der Praxis vorstellen. Obgleich einige Patienten völlig beschwerdefrei sind, präsentieren andere deutliche Verschleißerscheinungen an den Zähnen im okklusalen Bereich. Dieser Verschleiß kann Schmerzen verursachen, da Dentin freigelegt wurde, und/oder ästhetische Limitierungen mit sich bringen.

Die Therapie dieser nichtkariösen Zahnhartsubstanzdefekten im okklusalen Bereich stellt den behandelnden Zahnarzt oftmals vor große Herausforderungen: welches Material ist geeignet, wie können den ästhetischen Ansprüche des Patienten Rechnung getragen werden, können alle Materialien auch bei vorhandenem Bruxismus eingesetzt werden, sind minimalinvasive Versorgungen möglich, wie setzte ich die Versorgungen ein…? Da nahezu jährlich neue Materialien den Dentalmarkt „erobern“, ist die Auswahl unübersichtlich und
es ist fast unmöglich, die Übersicht zu behalten. Dies erschwert die Auswahl sehr, da jede Materialklasse Stärken und Schwächen aufweist und somit die Materialauswahl maßgeblich für den Langzeiterfolg der Versorgung und für die Zufriedenheit des Patienten verantwortlich ist. Zusätzlich muss auch das Protokoll zum Einsetzen der Restauration auf das entsprechende Material abgestimmt sein – Fehler hierbei „verzeihen“ moderne Materialien nicht. Im Vortrag sollen daher geeignete Materialien und deren adäquate Verwendung vorgestellt werden. Hierbei sollen nicht nur wissenschaftliche Daten präsentiert werden, sondern anhand von Fallbeispielen auch praxistaugliche Tipps an die Hand gegeben werden. Selbstverständlich wurde in diesem Zusammenhang auch die CAD/CAM gestützte Fertigung der Restaurationen vorgestellt.

Behandlungsoptionen bei Bruxismus | Peter Weselaar

Das „multiple P“-Konzept

Nach einem aktuellen Konsensus-Artikel wird Bruxismus dabei als wiederholte Kiefer- und Muskelaktivität beschrieben, die durch Pressen oder Knirschen der Zähne und/ oder Festhalten bzw. Schieben mit dem Unterkiefer gekennzeichnet ist. Bruxismus kommt in zwei unterschiedlichen circadianen Ausprägungen vor: Er kann während des Schlafens auftreten (Schlafbruxismus) oder im Wachzustand (Wachbruxismus).

Während der letzten zwei Dekaden haben zwei Paradigmenwechsel stattgefunden: zum einen entstanden Nachweise dafür, dass Bruxismus im Wesentlichen zentral reguliert wird und nicht in der Körperperipherie. Zum anderen wird Bruxismus vor diesem Hintergrund mittlerweile als Verhalten und nicht als Erkrankung angesehen.

Wichtig ist dabei zu verstehen, dass Bruxismus sogar potentiell einen Schutzfaktor darstellt, mit gesundheitsfördernden Eigenschaften. Auf der anderen Seite kann Bruxismus ein Risikofaktor sein, der notorisch für ungünstige Einflüsse auf den Körper verantwortlich ist. Diesbezügliche Risiken sind erhöhter Zahnverschleiß (Tooth Wear), Craniomandibuläire Dysfunktionen, parodontale Probleme, endodontische Komplikationen, Zahnfrakturen, Schäden an direkten sowie indirekten Restaurationen und schließlich Schäden an Implantat Suprakonstruktionen sowie der Verlust von Implantaten.

Wenn der Zahnarzt negative Konsequenzen erkennt, sollte eine Therapie in Betracht gezogen werden.

Die Behandlung von pathologischem Bruxismus folgt nach aktuellen Empfehlungen einem mehrfachen „P“, abgeleitet von den englischen Begriffen „Pep Talks“ (Beratung), „Plates“ (Aufbiss Behelfe), „Pills“, (Medikamente), „Psychology“ (Psychologie) und „Physiotherapy“ (Physiotherapie). Wann ist die beste Therapie? Vor- und Nachteile wurden diskutiert.